Der Regenbogenberg

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Author

Alex

Published

November 20, 2025

Modified

November 20, 2025

Kurzinfo:

Anfahrt

Es ist noch stockdunkel, als ich früh Morgens in der einsamen Gasse Cuscos vor meinem Hostel stehe. Wer hat sich einen Ausflugsbeginn um diese Zeit ausgedacht? Nur ein paar einsame Straßenlaternen beleuchten das Steinpflaster der menschenleeren Straße. Kein Passant, kein Auto zeigt sich hier. Die Uhr zeigt kurz nach vier, und an sich würde ich wohl sofort halb schlafend umfallen und weiterratzen, wenn es nicht nur ein paar Grad über dem Gefrierpunkt hätte. Auch wenn in Deutschland die Menschen zurzeit noch am Baggersee den Spätsommer genießen, ist es hier in Peru noch fast Winter, und auf den gut dreieinhalbtausend Höhenmetern merkt man das noch mal eine ganze Spur deutlicher. Ich ziehe die extra hier gekaufte Wollmütze tiefer um meine frierenden Ohren, stecke die behandschuhten Finger unter meine Achseln und wickle mich noch etwas enger in die Schichten fast aller längerer Oberbekleidung, die ich auf diesem Trip dabei habe. So sieht also Urlaub aus!

Irgendwann, ich warte bestimmt schon fast eine halbe Stunde hier, und drohe festzufrieren, biegt ein Kleinbus in meine Straße, der Lichtkegel wandert suchend um die Kurve, strahlt in meine Richtung und kommt langsam näher. Ein gut gelaunter peruanischer Guide springt heraus, fragt “Alexander?”, ich nicke nur murmelnd und steige in die Hintertür des Vans, die er krachend aufschiebt. Drinnen warten noch ein paar weitere Gestalten, wir begrüßen uns brummend, die Uhrzeit macht keinem so richtig Spaß. Los geht die Fahrt durch das nächtliche Cusco, hinaus aus der Stadt durch kurvige Gebirgsstraßen, die ich erst mal nur im Halbschlaf an das Seitenfenster gelehnt wahrnehme. Als ich nach einer Weile richtig wach werde, sind wir schon inmitten der Berge, die Cusco umgeben, und in meinem Sichtfeld erheben sich links und rechts von der Straße gewaltige Felsmassive.

Wir machen Halt an einer kleinen Raststätte, es ist noch immer vor acht Uhr morgens. Ein einfaches Frühstücksbuffet wartet auf uns, begleitet von Kaffee und natürlich dem allgegenwärtigen Coca-Tee, der hier zu jeder Gelegenheit bereitliegt. Da es immer noch recht früh ist, habe ich zwar noch keinen riesigen Hunger, aber der Guide ermuntert uns, doch auf jeden Fall etwas zu nehmen. Eine Weile sitzen wir herum und kauen auf unserem Weißbrot und Obst herum, so richtige Hochstimmung kommt noch nicht auf. Zumindest komme ich mal mit einigen aus meiner Gruppe ins Gespräch, zwei ältere Pärchen aus Frankreich, die ganz nett wirken. Eine gefühlt viel zu lange Weile sitzen wir hier herum und plaudern. Wozu sind wir eigentlich so früh aufgestanden, um dann hier die Zeit zu vertrödeln? Erst eine Weile später kapiere ich, dass das wohl der Gewöhnung an die dünne Höhenluft dient. Obwohl ich mich schon ein paar Tage in Cusco und Umgebung aufgehalten habe, und am ersten Tag japsend und hechelnd auch nur kleine Treppenläufe erklimmen konnte, überschätze ich mich wohl immer noch.

Nächtliches Cosco

Nächtliches Cosco

Bergketten auf unserem Weg

Bergketten auf unserem Weg

Wanderung

Doch irgendwann geht es weiter, und in ruckeliger Fahrt durch eine karge Mondlandschaft bei wolkenlosem Himmel gelangen wir schließlich ans Ziel. Mittlerweile richtig wach, hüpfen wir aus dem Van und strecken die nach der langen Fahrt eingerosteten Glieder.

Doch wo sind wir hier eigentlich? Das Ziel des heutigen Ausfluges lässt sich in der Entfernung schon grob erahnen, denn es sind an sich nur ein paar Kilometer von hier, die wir selbstständig erwandern müssen. Noch ist die Gegend nicht so toll ausgebaut, vielleicht kann man sich hier in ein paar Jahren bereits deutlich bequemer bis direkt vor fahren lassen. Der Klimawandel hat wohl mit dafür gesorgt, dass der Schnee selbst in dieser Höhe von fast fünftausend Metern geschmolzen ist und ein Naturwunder freigelegt hat, das sich in seiner Bekanntheit selbst mit dem berühmten Machu Picchu messen kann: Der Vinicunca, den meisten Touristen wie auch mir wohl eher als Rainbow Mountain bekannt, ist eine Bergkette, die entsprechend ihres Namens in insgesamt sieben verschiedenen Farben erstrahlt. Bedingt durch verschiedene Schichten aus farbigen Mineralien, die durch viele Jahrmillionen der Tektonik in eine bogenartige Form gepresst wurden, kann man hier heute ein wirklich einzigartiges Naturschauspiel beobachten. Das sehr fotogeeignete Motiv landete selbstverständlich schnell auf zahlreichen Urlaubsblogs und in Reisemagazinen. Die lokale Wirtschaft, die hier um Cusco sowieso schon sehr auf Touristen eingestellt ist, beeilte sich, den Vinicunca dem Besucher zugänglich zu machen, und so können Leute wie ich heute Touren dorthin buchen.

Doch bevor wir den Regenbogenberg in seiner vollen Pracht bewundern können, müssen wir wie gesagt eine kurze Wanderung absolvieren. Diese führt uns einen mehr oder weniger schnurgeraden Weg entlang durch das dem Berg vorgelagerte Tal. Wir können vom Auto, das auf einem voll gestellten Parkplatz zwischen dutzend anderen identischen Vans kaum auffällt, schon die Menschenkette in Richtung Berg gut erahnen, sodass eine Navigation kein Problem darstellt. Unsere Gruppe löst sich schnell auf, da jeder ein eigenes Lauftempo besitzt, und alleine mache ich mich fröhlich auf den Weg. Ich komme durch eine atemberaubende Landschaft aus dunklen Felsen, die hier, nur von ein paar Moos- und Grasfetzen gespickt, nackt daliegen wie ein weit entfernter Planet. Das vulkanartige Aussehen des Gesteins geht bald in ein sand- und tonfarbenes Farbspektakel über, das mir schon einen Vorgeschmack auf den Regenbogenberg gibt. Hügel erheben sich flach zu meiner Rechten, und ein schwacher Menschenstrom fließt dort hinauf wie eine Straße emsiger Ameisen. Entlang des Weges bieten Verkäufer Cocablätter und heißen Tee feil, ich bin selbst noch ganz gut ausgestattet, sodass ich meinen Weg fortsetze. Verächtlich beobachte ich asiatische Touristen, die sich auf Alpacas reitend von Einheimischen den Weg entlang chauffieren lassen, und lege grinsend noch einen Zahn zu.

Dieses Grinsen vergeht mir jedoch schnell wieder, als der Weg anzusteigen beginnt, und ich ungewohnt schnell ins Schwitzen komme. Ich merke, dass mir die dünne Luft doch zusetzt. Trotz der guten Vorarbeit unseres Guides und meiner Erfahrungen aus Cusco habe ich es mal wieder zu schnell angehen lassen, und muss meinen Schritt verlangsamen. Es fühlt sich an, als läge auf meiner Brust ein schwerer Sandsack, und jeder Atemzug kostet ein Vielfaches der üblichen Energie. In meinen Schuhen scheinen sich Bleieinlagen zu befinden, die schwerer werden, je näher ich dem Berg komme. Nach einer Weile des Schleppens muss ich alle paar Schritte eine kurze Pause machen, und so zieht sich der doch eigentlich so kurze Weg schnell wie Kaugummi. In der Ferne höre ich die Sirene eines Krankenwagens, von denen ich schon einige am Parkplatz bemerkt habe. Weil ich mich durch die dünne Luft vor allem auf den Meter Weg vor meinen Augen konzentriere, bemerke ich erst nach einer Weile beim Hochsehen den Regenbogenberg, der rechts von mir auf einmal zum Greifen nah aufragt. Ich halte inne, mal wieder um Luft zu holen, aber auch um diesen Anblick zu verarbeiten.

Parkplatz und Start der Wanderung

Parkplatz und Start der Wanderung

Wanderung zum Rainbow Mountain

Wanderung zum Rainbow Mountain

Kleiner Vorgeschmack auf den Regenbogen

Kleiner Vorgeschmack auf den Regenbogen

Kein steiler Anstieg, aber anstrengend

Kein steiler Anstieg, aber anstrengend

Am Berg

In der Vormittagssonne, die hier oben trotz der zahlreichen Schäfchenwolken besonders intensiv scheint, reihen sich Schicht um Schicht die unterschiedlichsten Farbtöne aneinander, und lassen einen tatsächlich an einen bunten Regenbogen denken, der hier in gut fünftausend Höhenmetern das Sonnenlicht bricht. Wie einer überdimensionalen Torte gleich, erstrahlen die Steifen in intensiven Farben, die vorbeiziehenden Wolken lassen sie mal heller, mal dunkler schimmern, und geben diesem Anblick noch mal etwas lebendiges, auch wenn es sich um totes Gestein handelt. Auf dem Berg selbst ist kein Mensch zu sehen, der Menschenstrom, dem auch ich folge, wandert zu meiner linken den Bergrücken hinauf, von dem man einen hervorragenden Blick auf den Regenbogen hat.

Auch ich mache mich schweren Schrittes an den Aufstieg die schmalen Serpentinen hinauf, dieses tolle Farbenspektakel in meinem Rücken lassend. Da der Weg hier etwas schmaler wird, und einem auch Besucher auf ihrem Rückweg entgegenkommen, wird es hier etwas enger, aber mein sowieso schon langsames Gestapfe hält das nicht weiter auf, und ich bin froh um jede weitere Atempause.

Oben angekommen, drehe ich mich in freudiger Erwartung um und - erblicke vor allem Menschenköpfe mit schreiend bunten Outdoorklamotten darunter, die hinter mit den Berg erklimmen, sowie den Ansatz des bunten Regenbogens dahinter. Man muss auf dem Plateau schon suchen, um einen einigermaßen freien Blick auf ihn zu erhaschen. Der klassische Fotospot ist mit einer endlosen Menschenschlange wohl keine Alternative, aber am Rand des Hügelkammes gibt es ein paar Stellen, wo man einerseits keinem im Weg sitzt und andererseits einen fast unverstellten Blick hat. Ich raste und genieße diesen wahrhaft majestätischen Anblick, der nicht beim Regenbogen aufhört, auch die umliegende Landschaft aus schroff geformten Tälern, gesäumt von ebenso farbenfroh wellenartig brechenden Felsen, einer bunten Decke gleich, die schwungvoll aufgebauscht wird. Vielleicht sollte man schon wieder ein bisschen melancholisch sein, wer weiß, wie dieser Ort in den nächsten Jahren noch ausgeschlachtet werden, und vielleicht dieses noch existierende Idyll der Vergangenheit angehören wird.

Natürlich bin ich mal wieder Teil des Problems. Allerdings erinnert mich mein immer noch schwer gehender Atem auch an die herausfordernden Umstände hier, die einem Massentourismus gewiss entgegenstehen. Und so lange genieße ich einfach noch die Aussicht hier.

Der Gipfel ist voll

Der Gipfel ist voll

Mit Glück kriegt man eine unverstellte Aussicht

Mit Glück kriegt man eine unverstellte Aussicht

Stolzer Gipfelstürmer

Stolzer Gipfelstürmer

Aussicht in südliche Richtung

Aussicht in südliche Richtung

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