Mit Ausblick zu den Ruinen

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Author

Alex

Published

November 6, 2025

Modified

November 6, 2025

Kurzinfo

Golfo Aranci

Klein und beschaulich an der Küste oberhalb der Stadt Olbia gelegen, lädt der kleine Ort Golfo Aranci zu einem gemütlichen Strandurlaub an der malerischen Costa Smeralda ein. Mit nur knapp 2500 Einwohnern und in der Nebensaison wenigen Touristen kann man hier den volleren Orten Sardiniens gut entfliehen. Auch wenn wir, wie immer ohne Auto unterwegs, uns eigentlich an die verkehrstechnisch gut angebundenen Städte halten mussten, kommt man mit dem Zug, zum Zeitpunkt unseres Besuches dem SEV-Bus, ausgezeichnet hin. So sollte Golfo Aranci den gemütlichen Abschluss unserer Sardinienreise bilden, und wir wurden auch nicht enttäuscht: Fast leere Strände, von denen es hier eine ganze Handvoll in Laufweite gibt, und noch genug offene Restaurants und Eisdielen ließen es einem an nichts fehlen, was man für die Dolce Vita in einem Italienurlaub so braucht, und wir verbrachten faule Tage im warmen Sand und angenehm kühlen Meer des Küstenörtchens.

Da mir selbstverständlich nach ein paar Tagen schon wieder die Hummeln im Hintern summten, suchte ich nach guten Wanderrouten, und wurde in der Outdoor App meines Vertrauens tatsächlich schnell fündig. Denn, direkt nebenan und nicht zu übersehen, befinden sich einige kleinere Berge auf der Halbinsel, in deren Bucht sich der Ort erstreckt. So war es keine Frage, dieses kleine Stück Natur an einem der sonnigen Herbsttage unseres Besuches zu erkunden.

Blick von Golfo Aranci zu

Blick von Golfo Aranci zu

Start und Monte Ruju

Loslaufen kann man direkt im Ort, da alles hier recht beschaulich und nah beieinander ist. Vom Ortskern aus kam ich am Yachthafen und dem großen Fähranleger vorbei, der Sardinien mit einigen Orten auf dem italienischen Festland verbindet. Und direkt dahinter begann auch schon das kleine Naturreservat des Capo Figari. Erst einmal recht unspektakulär läuft man durch Busch- und Graslandschaften, die im ausgehenden Sommer doch recht braun und vertrocknet daliegen. Schnell machte ich ein paar Höhenmeter, und hatte bald einen ersten schönen Blick auf Golfo Aranci unter mir im Rücken. Vor mir erhob sich, stetig größer werdend, das Capo Figari, das mein Ziel darstellte. Schon bei der ersten Kreuzung warf ich das jedoch wieder über den Haufen. Statt geradeaus zu gehen, wandte ich mich nach rechts und steuerte zunächst den Monte Ruju an, der sich verlockend schroff über die Landschaft erhob. Ich folgte einem schmalen Pfad hinauf, wobei sich rechts unter mir die schmale Landzunge, auf der Golfo Aranci liegt, präsentierte, und ich die nördliche, dem Ort abgewandte Küste, zum ersten mal gut sehen konnte. Statt Bebauung und den kleinen Stränden dominieren hier schroffe Steilküsten die Landschaft, die sich über das azurblaue Meer erheben.

Der Weg verengte sich zusehends und wurde steiler, außerdem bewuchs immer dichter werdendes Dickicht meine Route. Eine Weile kämpfte ich mich durch und hatte den Gipfel oberhalb einer steilen Felswand, von der man garantiert einen spektakulären Rundumblick auf die Stadt und die umliegenden Küsten gehabt hätte. Leider nur hätte, denn hier wurde es irgendwann eine solche Kraxelei auf lockerem Schotter und Geröll, die ich mir in meinen Laufschuhen nicht zutraute. So drehte ich wieder um und verzichtete unverrichteter Dinge auf den Ausblick. Manchmal muss man trotz aller Motivation leider der Vernunft nachgeben, und auch vom Weg aus war die Aussicht ja schon ganz gut. Und so lief ich den Weg zurück in Richtung der Kreuzung und folgte meiner ursprünglichen Route. Der Monte Ruju hatte leider mich bezwungen, und nicht anders herum.

Monte Ruju

Monte Ruju

Erster Ausblick auf Golfo Aranci vom Monte Ruju

Erster Ausblick auf Golfo Aranci vom Monte Ruju

Promontorio di Capo Figari

Der nächste Abschnitt führte mich durch ein Tal zwischen dem Monte Ruju und dem Capo Figari hindurch. Am anderen Ende begann der Aufstieg den zweiten Gipfel an diesem Tage hoch. Gott sei Dank entpuppte er sich als länger, aber deutlich weniger steil. Gemütlich wandten sich die breiten Serpentinen den flach ansteigenden Berg empor, und man konnte gemütlich hinaufstapfen und dabei die Aussicht auf die unterhalb liegende Landschaft genießen. Vor der Küste erhob sich stolz die Isola di Figarolo aus dem Küstenwasser, das so blau und ruhig wie auf einer Ansichtskarte dalag. Wie eine überdimensionale Haifischflosse geformt, erstreckt sich eine lange Felsenwand an ihrer steil abfallenden, der Küste zugewandten Seite entlang, während die andere flach abfallen in Richtung Meer führt. Ein Anblick ästhetischer Vollkommenheit, der Seinesgleichen sucht. Um die Insel herum dümpelten einige Segelschiffe gemütlich im Gewässer, viel Wind war nicht da, um Fahrt aufzunehmen, dafür ein wunderbarer Ausblick, vor dem man wohl gar nicht erst wegsegeln möchte. Da hier kein Gestrüpp die Aussicht versperrte, konnte ich mich den ganzen Weg hinauf daran laben, geriet aber durch den mangelnden Schatten in der Mittagssonne ganz schön ins Schwitzen.

Schließlich gelangte ich auf den Gipfel an den Punta Semaforo. Von unten waren einige kleine Gebäude und eine Art Turm erkennbar gewesen, die den Gipfel schmückten, was sich hier jedoch verbarg, erkannte ich erst bei meiner Ankunft. Offenbar war dieser Ort hier einst eine stolze Anlage zur Küstenüberwachung gewesen, liegt aber heute nur noch in Ruinen da. Jetzt konnte man zwischen den vielen Gebäuden wunderbar auf Erkundungstour gehen und diesen Lost Place in aller Ausführlichkeit besichtigen. Die meisten Gebäude waren betretbar, und die Innenwände mit allerhand Graffiti von vergangenen Besuchern geschmückt, teilweise nach den Daten schon mehrere Jahrzehnte alt. Einer Plakette ist zu entnehmen, dass dieser Ort auch eine große Bedeutung in der Geschichte der Physik hat, denn hier führt der spätere Nobelpreisträger Guglielmo Marconi vor fast einhundert Jahren Experimente durch, die wegweisend für die Entwicklung der Funktechnik waren. Von eben diesem Ort aus schickte er kurzwellige Richtfunksignale zum italienischen Festland, das erste Mal, das so etwas gelang.

Außer dem Metallschild erinnert heute nichts mehr an diesen Meilenstein in der Kommunikationsgeschichte, außer einem weiteren kleinen Hinweisschild entlang des Weges, und vielleicht zwei verrostete lange Metallstangen, die bizarr vom dem Dach des Haupthauses abstehen, vielleicht waren das ja einmal Funkmasten. Im Inneren kann man theoretisch bis auf das Dach vordringen, wenn man denn so tollkühn ist, denn die morschen Holzdielen, die hier mal einen stabilen Boden abgegeben haben mögen, sehen heute nicht mehr so vertrauenswürdig aus.

Aber so hat dieser Ort einen ganz eigenen Charme aus ehrwürdiger Geschichte und dem unaufhaltsamen Verfall, der selbst solch historisch einst bedeutsamen Plätze heimsucht. Ich genoss eine ganze Weile den sagenhaften Ausblick auf die umliegende Küste des Capo Figari.

Isola di Fogarolo

Isola di Fogarolo

Hinweis auf Marconi

Hinweis auf Marconi

Ruinen auf dem Punta Semaforo

Ruinen auf dem Punta Semaforo

Verlassene Beobachtungsanlage

Verlassene Beobachtungsanlage

Sagenhafte Aussicht

Sagenhafte Aussicht

Ganz unbewohnt sind die Ruinen doch nicht

Ganz unbewohnt sind die Ruinen doch nicht

Batterie von Luigi Serra

Zurück ging es die Serpentinen, die ich gekommen bin, und weiter in Richtung Küste. Hier gab es gleich eine ganze Reihe von Orten zu entdecken, angefangen bei einem kleinen Friedhof, der sich “Englischer Friedhof” nennt. Hier wird mit bescheidenen Holzkreuzen einiger Seeleute gedacht, die 1887 bei einem Schiffsunglück vor der Küste des Capo Figari ums Leben gekommen sind, und hier inmitten eines kleinen Haines ihre letzte Ruhestätte fanden. Obwohl nur einer der hier Begrabenen tatsächlich Engländer ist und der Rest italienische Seeleute, hat sich der heutige Name durchgesetzt.

Ein kleines Stück weiter fand ich man schon die nächste Ruine Batteria di Luigi Serra, eine ehemalige Verteidigungsanlage aus dem zweiten Weltkrieg, gut zu erkennen an ihren dicken Betonmauern, die vom Zahn der Zeit schon sehr angenagt wurden. Hier konnte man wunderbar eine Weile dieses Stück Historie erkunden, die flachen, aber massiven Gebäude erklettern und betreten. Sogar ein unterirdischer Bunkergang, in den auch ich mich mit Handytaschenlampe hineinwagte. Aus irgendeinem Grund lagen hier zahllose Teller eines “Bungalow Hotel San Teodoro”, die hier vielleicht unsachgemäß entsorgt wurden. Ansonsten fand sich vor allem Bauschutt. Bedrohlich wirken die Sockel aus Metall, auf denen vielleicht mal Geschütze installiert waren. Die Größe und Wucht, die sie gehabt haben müssen, konnte ein Laie wie ich nur furchtsam erahnen.

Englischer Friedhof

Englischer Friedhof

Bunkeranlage der Batteria di Luigi Serra

Bunkeranlage der Batteria di Luigi Serra

Strand von Cala Moresca und Rückweg

Der Rückweg führte mich an der südlichen Küste der Landzunge entlang nach Golfo Aranci. Gleich zu Beginn kam ich an einem kleinen Strand, dem Spiaggia di Cala Moresca, vorbei, an dem sich an diesem Sonntag einige Badelustige tummelten. In dem klaren Wasser ließ sich offenbar wunderbar schnorcheln und die Unterseewelt entdecken, denn ich erblickte zahlreiche kleine Plastikrohre an der Wasseroberfläche mit tauchenden Menschen daran.

Hier war es deutlich belebter als am Capo Figari, auf dem letzten Teil meiner Wanderung kamen mir zahlreiche Badegäste im Auto oder auf dem Rad entgegen. Man konnte noch einmal die wunderbare Küstenlandschaft der Costa Smeralda genießen, bis ich, doch mittlerweile von der Sonne und den Kilometern recht gezeichnet, zurück an meinen Ausgangsort gelangte.

Spaggia di Cala Moresca

Spaggia di Cala Moresca

Rückweg nach Golfo Aranci

Rückweg nach Golfo Aranci

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