Oberlausitzer Bergweg

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Author

Alex

Published

August 14, 2025

Modified

August 14, 2025

Es mag keine neue Erkenntnis sein, aber hilft doch, sich immer wieder ins Gedächtnis zu rufen: Man muss für die Schönheiten und Abenteuer dieser Welt nicht immer in einen Flieger steigen und um den halben Erdball düsen. Auch die eigene Haustür, und ihr erweiterter Umkreis, hat überraschend viele Erlebnisse zu bieten, deren Bekanntheit oft hinter den heißesten Sehenswürdigkeiten auf unserem Planeten zurück bleibt. Das muss nicht heißen, dass sich ein Besuch nicht lohnt. Und, wer wie ich vom Deutschlandticket begeistert, mal ein bisschen herumsucht, was es denn so in unseren Breiten zu erleben gibt, dem fällt vielleicht, wie mir bei meiner Recherche, der Oberlausitzer Bergweg ins Auge. Jedoch muss der eine oder andere Leser, so wie ich auch, wohl erst mal googlen, was und wo die Lausitz eigentlich noch mal ist.

Was & Wo

Vom Deutschen Wanderverband mit dem Gütesiegel “Qualitätswanderweg” ausgezeichnet, verläuft der Weg, wie der Name schon sagt, in der Oberlausitz im östlichsten Ende Deutschlands nahe und auf der tschechischen und polnischen Grenze. Er ist mit gut 110 Kilometern (mittlerweile 128) wohl bei Weitem kein Fernwanderweg, bietet aber laut Beschreibung auf der Strecke allerhand schöne und faszinierende Dinge zu bestaunen. Außerdem kannte ich diese Ecke Deutschlands vorher noch nicht wirklich. Daher war ich ziemlich schnell begeistert von der Idee, ihn in einer schönen Sommerwoche zu laufen.

Karte des Bergweges, Stand 2025, Quelle

Karte des Bergweges, Stand 2025, Quelle

Anreise und Beginn

Von München aus ist die Anreise alleine schon mal fast einen Tag lang. Da ich, wie schon geschrieben, gerne das Deutschlandticket auskoste, und mein Weg mich ja doch von München durch halb Deutschland führte, hatte ich mich darauf schon eingestellt. Deshalb stellte das eigentlich kein großes Problem dar, und hey, so nimmt man noch ein paar Eindrücke von unserem schönen Land auf dem Weg mit, und darum geht es ja schließlich auch. Und mehrmaliges Umsteigen bin ich aus den Zeiten, wo ich als armer Student noch mit dem Quer-durch-Deutschland-Ticket einem bequemen ICE vorlieb nehmen musste, noch gut gewohnt. Nur mit dem Unterschied, dass dieses damals für einen Tag fast so teuer war wie ein Monat pauschal Regio fahren heute. In welch glücklichen Zeiten wir doch leben! Und so landete ich mit Zwischenstopps in Nürnberg, dem oberfränkischen Hof und Dresden schließlich am frühen Abend in dem Örtchen Neukirch in der Lausitz, in dessen Nähe der Bergweg seinen Anfang nimmt. Beziehungsweise, nahm, denn wie ich feststellen muss, wurde der Weg mittlerweile verlängert oder so, und beginnt nun noch ein Stück weiter westlich bei Bischofswerda. Dort waren, wenig überraschend, an diesem heißen Sommertag, die Bürgersteige hochgeklappt, und man traf kaum eine Menschenseele. Ich habe mit meinem großen Wanderrucksack aber wohl auch ein komisches Bild abgegeben, sodass mir das vielleicht sogar ganz willkommen war. Mit dem leer stehenden und etwas in die Jahre gekommenen, aber sehr hübschen Bahnhofsgebäude aus weißem Holz und der allgemeinen Ruhe im Ort kam ich mir vor wie im Beginn eines ostsächsischen Westerns gelandet, und als würden mich auf dem Dorfplatz meine alten Widersacher zum Duell erwarten. Fast erwartete ich einen Strohball, der die Dorfstraße entlangkullerte. Aber dieses Bild ist wohl eher albern. Schnell machte ich mich auf den Weg zum südlich von Neukirch gelegenen Startpunkt. Ich kam durch im Sommerlicht gelb-grünlich scheinende Wiesen vor dem Panorama der flachen Berglandschaft, die im sommerlichen Dunst dieses Abends wie eine Kulisse für einen Heimatfilm wirkte. Schnell ging es durch einen angenehm kühlen Wald den ersten Anstieg empor auf den Valtenberg, auf dessen 587 Metern hohem Gipfel mich ein großes Schild auf dem Oberlausitzer Höhenweg willkommen hieß.

Bahnhof Neukirch (Lausitz)

Bahnhof Neukirch (Lausitz)

Felder bei Neukirch

Felder bei Neukirch

Beginn des Bergweges

Beginn des Bergweges

Wiesen am Weg

Wiesen am Weg

Schlafen in der Hängematte

Auch wenn ich in meinem Wanderhunger am liebsten stundenlang weiter marschiert wäre, sorgte der fortschreitende Abend und die einsetzende Dämmerung dafür dass ich mir bereits nach gut einer dreiviertel Stunde ein Plätzchen für die Nacht suchen musste. Dazu hatte ich mich natürlich vorbereitet, und mir im Vorfeld eine Outdoor-Hängematte samt Tarp (Zeltartige Plane, die zwischen Bäumen aufgespannt wird) zugelegt. Weil Campieren in der Natur abseits der Zeltplätze in Deutschland immer so ein Thema ist, hatte ich mich bewusst für diese Variante entschieden, da sie für die Natur etwas weniger invasiv ist als ein Zelt und gesetzlich nicht so klar geregelt. Ich habe mich oft neben am Weg vorhandenen Schutzunterständen niedergelassen. Mit einer klaren Empfehlung dafür oder dagegen halte ich mich hier jedenfalls zurück, da ich kein Experte für solche Dinge bin, und möchte schon gar nicht zur Nachahmung auffordern. Jedenfalls habe ich penibel darauf geachtet, auch nicht das kleinste Fitzelchen Müll oder sonstige Spuren zurückzulassen, keine Pflanzen zu beschädigen und mich möglichst so rücksichtsvoll und unaufdringlich zu verhalten, dass meine Anwesenheit weder Mensch noch Tier störte. Fleißig vorher geübt hatte ich schon, meine Behausung auf- und abzubauen, und bekam das auch jedes Mal hin, ohne den Wald abzureißen. Aller Vorbereitung zum Trotz hatte ich selbstverständlich einen gewaltigen Respekt vor dem Schlafen in einem nächtlichen Wald. So lag ich in der einen oder anderen Nacht mal etwas länger wach, wenn mich die allgegenwärtigen Geräusche des Waldes verunsicherten, und den Eindruck hatte das Rascheln da draußen müsste mindestens ein Grizzlybär sein. Auch beschränkte ich meine mitgebrachten Snacks auf ein absolutes fleischloses Minimum, um keinem angelockten Waldbewohner unnötige Anreize zu liefern. Ein hochgradig eindrucksvolles Erlebnis ist es jedoch trotzdem, so eng mit der Natur verbunden fühlt sich ein durchschnittlicher Städter wie ich eher selten.

Mein Nachtlager

Mein Nachtlager

Wenig Platz, aber erstaunlich bequem

Wenig Platz, aber erstaunlich bequem

Meine Tagesetappen

Sohland - Neusalza/Spremberg

Natürlich lernte ich die Schönheit und Faszination dieses östlichen Zipfels Deutschlands auch tagsüber kennen, das war ja schließlich mein Hauptgrund, hier her zu kommen. Schon direkt am nächsten, ersten vollständigen Wandertag kam ich durch weitläufige goldene Wiesen und Wälder entlang der tschechischen Grenze, die im Sommerlicht friedlich und idyllisch dalagen. Leider erahnte man teilweise anhand der teilweise doch eher traurig wirkenden Bäume hier die Auswirkungen des Borkenkäfers, der in dieser Gegend sein Unwesen treibt.

In Sohland an der Spree kam ich an der altehrwürdigen Himmelsbrücke vorbei, die hier formschön einer Märchenlandschaft entsprungen sein könnte, und machte direkt neben ihr Rast mit Ausblick auf die benachbarten Felder. Nachmittags bewunderte die schroffen Felsformationen der Kälbersteine, die man über hölzerne Treppen erklimmen kann. Wie auch am Vortrag, oder die noch kommenden Wegabschnitte, traf ich kaum auf andere Wanderer, und außerhalb der Ortschaften hat man oft das Gefühl, allein zu sein. Das kann man etwa von den Wandergebieten der Voralpen, wo sich an sonnigen Sonntagen halb München tummelt, nicht gerade behaupten.

Himmelsbrücke in Sohland a. d. Spree

Himmelsbrücke in Sohland a. d. Spree

Pause muss sein

Pause muss sein

Tschechische Grenze

Tschechische Grenze

Wilde Natur - ein Fingerhut (glaube ich)

Wilde Natur - ein Fingerhut (glaube ich)

Der erste Abschnitt

Der erste Abschnitt

Kälbersteine

Kälbersteine

Eibau / Großschönau

Ich kam durch kleine Örtchen und an Bauernhöfen vorbei, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein schien, so ursprünglich und gut erhalten sind sie. Ein gutes Beispiel sind hier wohl die Umgebindehäuser. Diese sind ein besonderer Typ von Fachwerkhaus, der in dieser Gegend sehr verbreitet ist und den berühmten Altstädten etwa in Rotenburg in nicht viel nachsteht. Ganz besonders heraus sticht hier das Städtchen Großschönau, wo sich ein altehrwürdiges Haus entlang gepflegter Kopfsteinpflasterstraßen an das nächste reiht, und der ganze Ort wirkt wie eine Zeitreise um ein paar Jahrhunderte zurück. Es ist auch super idyllisch gelegen, inmitten weitläufiger Felder und Wäldchen, und ohne Zweifel eines meiner Highlights der Tour.

Dass diese Gegend auch ein beliebter Spot für Wintersport zu sein scheint, bezeugten viele Schilder, die auf Loipen und Pisten für Skifahrer hinwiesen. Sogar eine Skisprungschanze fand ich, inmitten dieser sommerlichen Idylle jedoch etwas verkehrt und einsam wirkend. Ein paar Höhenmeter musste ich heute auch überwinden, zuerst über den Kottmar etwas nördlich von Eibau, und am Abend dann noch mal auf den Lausche, wo ich in einer Wanderhütte mein wohlverdientes Nachtlager direkt auf der tschechischen Grenze in über 700 Höhenmeter aufschlug.

Häuser in Eibau

Häuser in Eibau

Felder bei Eibau

Felder bei Eibau

Der Name ist Programm: Großschönau

Der Name ist Programm: Großschönau

Aussicht bei Großschönau

Aussicht bei Großschönau

Loipe im Sommer

Loipe im Sommer

Aussicht von der Skisprungschanze

Aussicht von der Skisprungschanze

Oybin / Zittau

Am nächsten Tag wurde ich dafür direkt nach dem Start mit einem wunderschönen Ausblick über die Landschaft belohnt. Ich kam auf dem Weg bergab durch eine felsige Baumlandschaft, die Zittauer Gebirge genannt wird. Hier vermutet man hinter jeder Ecke einen Troll oder andere Sagengestalten, so fantasieanregend sind die schroffen Steinformationen hier inmitten dieses Zauberwaldes, eine echte Augenweide! Eine Weile erkletterte und erkundete ich die gewundenen und engen Pfade durch die Felsen hindurch, und konnte mich gar nicht von ihnen losreißen. Von dem Berg Hochwald, samt der dortigen Turmbaude, hatte man einen unglaublichen Ausblick auf mein Zwischenziel Oybin, wohin ich mich auch alsbald aufmachte. Unterwegs kam ich durch weitere Wälder mit schönen Gesteinsformationen und war froh über den Schatten, den man hier genießen konnte. Wie schon die Tage zuvor läutete die sengend über der Oberlausitz stehende Sonne einen der heißesten Tage des Jahres ein.

Als ich nach Oybin kam, sah man kaum eine Menschenseele auf der Straße, da es in der Mittagshitze kaum auszuhalten war. So machte ich erst einmal gemütlich Mittag, verpasste meinem Handy eine notwendige Akkuladung und belohnte mich mit einem großen Becher Eis zum Nachtisch, ehe ich den Aufstieg zur hoch über dem Ort gelegenen Festung aufnahm, einer großen Burgruine samt Kloster, die absolut spektakulär an den steilen Felsen aufragt. Leider blieb mir der Eintritt dorthin an diesem Tage verwehrt, da die Festung geschlossen war. Ein wahrer Jammer, sah es doch so aus, als hätte man hier eine ganze Weile die Hogwarts nicht ganz unähnlichen Mauern erkunden können.

So machte ich mich unverrichteter Dinge auf in Richtung meines Tageszieles Zittau, das schon den Endpunkt des Oberlausitzer Bergweges darstellt. Sanft und geschmeidig gleitet der Weg dahin, durch (zum Glück) schattige Wälder und weitläufige Wiesen, direkt zum Dreiländereck bei dem kleinen Ort Hartau, wo drei große Fahnen das Aufeinandertreffen der deutschen, tschechischen und polnischen Grenze markieren. Ab da wanderte ich mehr oder weniger auf der Grenze zu Polen entlang ins Herz von Zittau, dem ersehnten Endpunkt der Wanderung direkt am Bahnhofsplatz der Stadt. Was für ein erhebendes Gefühl, nach den gut 110 Kilometern, die ich die letzten Tage zurückgelegt hatte, nun hier zu stehen und auf der Karte nachzuvollziehen, was ich hinter mich gebracht hatte.

Es war noch ein guter Teil des Nachmittages übrig, um Zittau zu erkunden. Am Stadtrand fand man, wie in vielen Städten der ehemaligen DDR, viele verlassen wirkende Häuserzeilen, ein Anblick, den man aus den umkämpften Wohnungsmärkten in Süddeutschland gar nicht mehr gewohnt ist. Der Kern wirkte jedoch mit ihren aufs Feinste herausgeputzten Fassaden in der Altstadt geradezu einer Filmkulisse entsprungen. Leider fand ich für die Nacht keine Unterkunft mehr hier, alle Herbergen waren ausgebucht oder geschlossen, und dabei hatte ich mich so auf ein weiches Bett gefreut. So musste ich noch einmal mit meiner Hängematte vorlieb nehmen, die ich unweit des Ortes neben einem Feldweg aufspannte, und aufgrund der exponierten Lage nachts vom Wind gut durchgeschüttelt wurde. Aber da ich auch heute gut dreißig Kilometer gewandert und entsprechend fertig war, nahm ich das eher als ein sanftes In-den-Schlaf-Wiegen wahr.

Aussicht am dritten Morgen

Aussicht am dritten Morgen

Zittauer Gebirge

Zittauer Gebirge

Zittauer Gebirge

Zittauer Gebirge

Märchenlandschaft

Märchenlandschaft

Oybin

Oybin

Festung Oybin

Festung Oybin

Blindschleiche

Blindschleiche

Dreiländereck

Dreiländereck

Am Ziel!

Am Ziel!

Graffiti

Graffiti

Mandau-Kaserne

Mandau-Kaserne

Zittau Zentrum

Zittau Zentrum

Weiterreise

Von hier aus brach ich am nächsten Tage weiter nach Görlitz auf, zunächst eine Weile zu Fuß bis in das Dörfchen Ostritz, oder polnisch, deutlich eingängiger, Krzewina Zgorzelecka, und von da aus mit dem Zug weiter. Auf dem Weg dorthin erblickte ich auch die unschönen Folgen der stetigen Abwanderung aus den Neuen Bundesländern. Auch wenn ich schon in Zittau oder anderen Orten das ein oder andere leer stehende Haus gesehen hatte, kam ich hier durch Geisterstädte, in denen jede zweite Fassade oder mehr vernagelt war, und hier offenbar schon lange kein Dorfleben mehr florierte. Im Gegensatz zu den Naturlandschaften entlang des Bergweges wirkt das Alleine sein hier eher bedrückend als idyllisch, und ich kam mir vor wie ein Überlebender in einem Endzeitfilm als denn als Wanderer. Wer Einsamkeit sucht, der findet sie hier in jedem Fall, auf die eine oder andere Weise.

Für mich war der Oberlausitzer Bergweg einer der schönsten Wege, die ich die letzten Jahre bezwungen habe, die Vielfalt an Eindrücken, die hier auf einen wartet, muss sich wahrlich nicht hinter den bekannteren Wandergebieten unserer Republik verstecken. Wer aufmerksam gelesen hat, wird bemerken, dass ich den Weg in gut drei Tagen und ein bisschen gelaufen bin. Es gibt jedoch insgesamt fünf, beziehungsweise heute sechs, offizielle Etappen auf der Webseite, und die Meisten wandern wohl gemütlicher als ich. Und das kann ich keinem verdenken, denn viel zu genießen gibt es in diesem versteckten Zipfel Deutschland allemal.

Letztes Nachtlager

Letztes Nachtlager

Spuren der DDR?

Spuren der DDR?

Verlassene Häuser in Ostritz

Verlassene Häuser in Ostritz

Verlassene Häuser in Ostritz

Verlassene Häuser in Ostritz

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